Vesting-Klauseln bieten Investoren einen Schutz, wenn ein Teil des Gründer- oder des Managementteams das Unternehmen frühzeitig verlässt. Gründer oder wichtige Mitarbeiter/Manager, die das Unternehmen vorzeitig verlassen, sollten ihre Aktien/Anteile und damit deren Gesellschafterstatus ganz oder teilweise verlieren. Wenn ein Gründer das Unternehmen verlassen möchte (oder muss), können die freien Anteile als Anreiz genutzt werden, einen neuen Mitarbeiter in das Managementteam zu holen. Die Vesting Klausel ist dabei nicht nur aus Investorenperspektive ein Schutzmechanismus. Auch aus Gründerperspektive macht ein gegenseitiges Vesting durchaus Sinn, da sich das Team entsprechend aufeinander verlassen muss.
Gründer werden, wenn nicht schon im Rahmen der Gründung geschehen, das erste Mal mit Vestingvereinbarungen bei ihrer ersten Finanzierungsverhandlung konfrontiert. Denn schon für Business Angels spielt das Vesting eine wichtige Rolle.
Die Vesting Vereinbarungen können mitunter sehr individuell geregelt werden. Am Markt haben sich aber ein paar übliche Ausgestaltungen des Vestings etabliert, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.
Exkurs:
Die Marktstudie von Rödl & Partner mit der TH Nürnberg zeigt, dass Vestingvereinbarungen in frühen Phasen (Early Stage) zu 85% Immer und Oft vereinbart werden.
Prinzipiell muss man beim Vesting drei verschiedene Bausteine unterscheiden:
Werden nun in einem Termsheet vier Jahre Vesting vorgeschlagen, muss im nächsten Schritt definiert werden, wie die Anteile erdient werden. Es können verschiedene Arten des Vestingplans unterschiedenen werden:
Eine detaillierte Gegenüberstellung des Zeitvestings sowie des Performance / Meilensteinbasiertes Veting findet sich in diesem Artikel.
Single-trigger accelerated vesting: Hierbei ist nur ein Event, meistens der Verkauf des Unternehmens selbst notwendig.
Double-trigger accelerated vesting: Hierbei müssen zwei definierte Events eintreten. Zum Beispiel der Merger des Unternehmens sowie die gleichzeitige Kündigung des Managements.
In der Praxis werden in der Regel zwei bis fünf Jahre für den Erdienungszeitraum vereinbart. Innerhalb dieses Zeitraums unterliegen die Anteile der Gründer der Übertragungspflicht oder dem Rücknahmerecht beim Ausscheiden aus dem Unternehmen und können je nach Struktur Schritt für Schritt reduziert werden. Es ist auch denkbar, dass ein bestimmter Prozentsatz der Anteile nicht unverfallbar ist, um die Gründer für ihre Vorbereitungsarbeit zu belohnen, oder dass im Falle eines Ausstiegs innerhalb der Frist alle Anteile unverfallbar sind.
Beispiel eines Vesting Schedules
Ein Vesting Schedule kann entweder für alle Anteile aufgelegt werden oder aber jeweils unterschiedliche für einen Teil der Anteile ausgestaltet werden. In diesem Beispiel vesten 70 % der Anteile über einen 24-Monatszeitraum jeden Monat. Die restlichen 30 % über 12 Monate, je alle zwei Monate.
Exkurs:
Ebenfalls zeigen sich in der Praxis folgende Ausprägungen: Größtenteils werden pro-rata Vereinbarungen getroffen, bei denen der gevestete Anteil der Anteile über die Laufzeit gleichmäßig zunimmt und dieser Teil der Anteile frei verfügbar wird. Gleich häufig gaben die Teilnehmer an Accelerated Vesting und Cliff Vesting anzuwenden.
Tritt ein Gründer während der Vestingperiode aus dem Managementteam aus, ist nach dem Grund für den Austritt zu unterscheiden. Dementsprechend basieren auch die Abfindungsregelungen darauf. Dabei wird zwischen den sogenannten Good-Leaver- und Bad-Leaver-Regelungen unterschieden.
Die weit reichsten Folgen sind im Rahmen eines Bad Leaver Ereignisses anzutreffen. In der Regel verliert die entsprechende Person sämtliche Anteile. Sofern also alle Anteile noch einem Vesting unterliegen, kommt es zum vollständigen Verlust der Anteile und somit der Gesellschafterstellung. Individuelle Absprachen unter den Gesellschaftern sind hier aber die Regel, sodass es hier zu unterschiedlichsten Ausprägungen am Markt kommt.
GOOD LEAVER | BAD LEAVER |
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Tod, Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit, Ruhestand, Auslaufen des Vertrages Ablehnung einer Vertragsverlängerung zu mindestens gleichen wirtschaftlichen Bedingungen. | Weigerung, einen Vertrag zu mindestens den gleichen wirtschaftlichen Bedingungen zu verlängern. |
Rechtmäßige Kündigung des Gründers / Geschäftsführers aus wichtigen Gründen, die er nicht zu vertreten hat. | Kündigung des Geschäftsführers / Gründers ohne wichtigen Grund. |
Kündigung von Geschäftsführerdienstverträgen, Arbeitsverträgen, Gutachter Verträgen oder Beraterverträgen vonseiten des Unternehmens ohne triftigen Grund | Kündigung von Geschäftsführerdienstverträgen, Arbeitsverträgen, Gutachter Verträgen oder Beraterverträgen vonseiten des Unternehmens aus wichtigem Grund, die der Gründer/Manager zu vertreten hat. |
Neben den hier genannten Gründen gibt es eine Reihe von Grenzfällen, die je nach Ausgestaltung des Einzelfalls als „good leaver“ oder „bad leaver“ zugeordnet werden können. Oftmals wird es als „good leaver“ angesehen, wenn der Manager/Gründer das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlässt, weil persönliche Gründe es für ihn unzumutbar gemacht haben, zu bleiben. Grundsätzlich wird unterschieden, ob das Verhalten unschuldig, leicht fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich war. War das Verhalten vorsätzlich oder grob fahrlässig, greift eigentlich immer eine Bad-Leaver Klausel.
In der Praxis finden sich verschiedene Vorgehensweisen hinsichtlich der Durchsetzung des Vestings.
Zwangseinziehung der Anteile | Call Option auf die Anteile | Abfindungsregelungen |
1. Zwangseinziehung
Die Zwangseinziehung von Anteilen muss in der Satzung der GmbH im Detail geregelt sein, was aufgrund des öffentlichen Zugangs der GmbH Satzungen problematisch sein kann.
2. Call-Option
Die Vereinbarung einer dinglich abgesicherten Call Option ist ein verbreiteter Weg zur Durchsetzung der Vesting Klausel. Hierbei kann einerseits vorab ein bindendes Angebot der Gründer vereinbart werden, welches im entsprechenden Fall nur noch angenommen werden muss, vereinbart werden. Andererseits ist es möglich durch eine aufschiebend bedingte Übertragung, welche bei Eintritt des Leaver Ereignisses wirksam wird, die Vesting Klausel durchzusetzen.
3. Abfindungsregelung
Unabhängig davon, welche Art der Einziehung / Übertragung vereinbart wird, muss eine detaillierte Regelung zur Abfindung getroffen werden. Ein vollständiger Ausschluss von einer Kaufpreiszahlung ist (zumindest in Deutschland) nicht zulässig.
Je nach Leaver Ereignis können unterschiedliche Abfindungen definiert werden. Eine klare Entscheidung ist daher wichtig, da die Höhe der Abfindung dann vom Grund der Auszahlung abhängt. In der Regel richtet sich die Abfindung bei einem Good-Leaver-Fall nach dem Verkehrswert der Anteile, oftmals mit einem kleinen Abschlag versehen. Bad Leavers erhalten in der Regel einen Wert, der dem Buchwert der Anteile oder dem Nominalwert entspricht, sofern dieser geringer ist als der Buchwert.
Eine typische Vesting Klausel kann z.B. wie folgt aussehen:
Die Geschäftsanteile der Gründer unterliegen einem Vesting.
Stellt einer der Gründer seine ganze Arbeitskraft nicht mehr der Gesellschaft uneingeschränkt zur Verfügung und ist die von ihm sonst ausgeübte Tätigkeit keine Tätigkeit im Interesse der Gesellschaft, ist die Gesellschaft berechtigt, dessen Geschäftsanteile ganz oder teilweise einzuziehen Entsprechende Optionsvereinbarungen sollen insbesondere vorsehen:
Der Anteil der der Einziehung unterliegenden Geschäftsanteile reduziert sich um 1/XX für jeden seit dem [__] vollendeten Monat. Dementsprechend behalten die Gründer jeweils 100 % ihrer Geschäftsanteile an der Gesellschaft, sofern sie ihre aktive Tätigkeit für die Gesellschaft jeweils mindestens bis zum [__] aufrechterhalten.
Im Falle eines Liquidationsereignisses vor dem [__] gelten sämtliche Geschäftsanteile mit dem Wirksamwerden eines solchen Ereignisses als gevestet (Accelerated Vesting) mit der Folge, dass eine Einziehung danach nicht mehr möglich ist.
XX % der Geschäftsanteile eines jeden Gründers sind in Würdigung ihres bisherigen Beitrags zum Aufbau der Gesellschaft prevested, so dass dem ….. Vesting lediglich XX % der Geschäftsanteile eines jeden Gründers unterliegen. (Cliff)
In einem jungen Startup finden sich meistens Vesting Vereinbarungen zwischen den Gründern, doch je größer ein junges, innovatives Unternehmen wird, desto häufiger werden auch Vestingvereinbarungen mit Mitarbeitern abgeschlossen, welche Optionen auf Unternehmensanteile halten.
Für das Management ist es daher zwingend erforderlich die Vestingvereinbarungen der einzelnen Personen im Unternehmen zu dokumentieren und im Falle eines Exist oder eines sonstigen Liquidationsevents die gevesteten Anteile der Personen zu kennen.
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